Nicolas Lindt

Schriftsteller & Ritualgestalter

«Ich schreibe Bücher, erzähle Geschichten und gestalte Rituale im Namen der Liebe.»

Der Roman eines Tages

Über die Liebe schreiben - 
oder die Liebe leben?

Georg Güldenschuh, ein Schriftsteller mit Familie schildert einen Tag seines Lebens. Einen allerdings nicht ganz gewöhnlichen Tag.

„Als ich an diesem Morgen erwachte, war das Bett neben mir leer.“

Die Geschichte beginnt voller Zweifel. Georg liebt Julia. Doch Julia glaubt es ihm nicht mehr - weil ihm das Schreiben wichtiger ist als das Leben. Sie verbrachte die Nacht im Gästezimmer.

"Du gehörst deinem Buch", sagte sie und schaute mich an. "Das war bei jedem Buch so. Kaum hast du angefangen mit Schreiben, bist du da und doch nicht mehr da. Dann bist du ständig in deiner Geschichte. Aber ich habe dich geheiratet. Nicht den Schriftsteller."
 

Der Versuch, seine Liebste zurückzuerobern, wird für Georg zum selbstkritischen Kreuzweg. Ein hindernisreicher Besuch im Kindergarten, die Begegnung mit der schönen Kellnerin Wanda, die Lesung vor einem Frauenforum unterbrechen die Auseinandersetzung mit der
widerspenstigen Partnerin. Doch jede Distanz vergrössert Georgs drängenden Wunsch, die Dinge wieder ins Lot zu bringen.

Der Roman - glänzend und flüssig geschrieben – lebt von genau beobachteter Mikrosymbolik. Nach einem Wortgefecht in der Küche etwa läuft das Spaghettiwasser über. Die Partner greifen beide zum Lappen. Zitat aus dem Buch:

"Einträchtiger hätten ein Mann und eine Frau einen Herd nicht reinigen können. Die Liebe dieses Paares musste wahrhaftig gross sein."

Aus der Besprechung im "Tages Anzeiger"
nach dem Erscheinen des Buches

 



Am Tag, als das Buch herauskam, habe ich ihm ein "Logbuch"  -  meine Kolumne im "Zürcher Oberländer" -  gewidmet.

Ich und „ich“

Vorgestern war ein besonderer Tag. Ich habe auf diesen Tag im Grunde zehn Jahre gewartet. Gegen Abend sass ich in den Räumen des Buchverlags und hielt mein neues Buch in der Hand. Zehn Jahre habe ich daran gearbeitet, mit vielen Pausen, in denen ich nicht nur schreiben, sondern auch leben wollte. Jetzt ist es da, und ich strich fast liebevoll über den Umschlag, als wäre das Buch kein Gegenstand, sondern ein Lebewesen.

Das eigentlich Besondere dieses Tages jedoch war nicht das Erscheinen des Buches an sich. Um etwas anderes geht es. In allem, was ich bisher geschrieben habe, meinte ich immer mich selbst, wenn ich „ich“ schrieb. Das neue Buch bricht mit dieser Gewohnheit. Ich sage darin zum erstenmal „ich“ und meine nicht mich. Der Ich-Erzähler in meinem Roman ist ein anderer. Ich habe ihm zwar äussere Ähnlichkeiten verliehen, um es mir leichter zu machen: Er schreibt, er hat Kinder, und er liebt seine Frau über alles – was diese ihm freilich nicht glaubt. Ich habe ihn auch in ein Dorf gesetzt, das aussieht wie meines, und ich lieh ihm sogar meine Schreibmaschine, die bei mir verstaubt in der Ecke steht. Weil er noch immer keinen Computer will.

Damit beginnen auch schon die Unterschiede. Der Mann in meinem Roman denkt und empfindet anders als ich, und je länger ich über ihn schrieb, um so mehr entfernte ich mich von ihm. Auch zeitlich. Ich habe ihn in die 90er Jahre versetzt.

Es hat Mut gebraucht, die Grenze zu überschreiten. Aber ich bin auf den Geschmack gekommen. Was für ein schönes Gefühl, zu wissen: Ich darf das. Ich darf ein anderes „Ich“ in die Welt setzen. Wir alle dürfen das.